Kandidatin Nummer vier

In vier Wochen will die Linkspartei ihre neue Führungsspitze wählen. Und das Bewerberfeld wächst. Nun bringt sich die vierte Kandidatin in Position. Heidi Reichinnek gilt als politisches Talent in der Fraktion.

Von Kerstin Palzer, ARD-Hauptstadtstudio

In vier Wochen muss sich die Linkspartei entscheiden, wer zukünftig der oder die neuen Parteivorsitzenden sein sollen. Jetzt wirft die vierte Kandidatin ihren Hut in den Ring: Heidi Reichinnek.

Eine Doppelspitze muss es bei der Linken sein. Und mindestens eine Frau auch. Außerdem ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass eine der beiden Führungspersonen aus dem Osten kommt und eine aus dem Westen.

Am Samstag hatte bereits die amtierende Parteivorsitzende Janine Wissler ihre erneute Kandidatur bekanntgegeben, am Dienstag dann zwei Männer: der Europa-Abgeordnete Martin Schirdewan und Sören Pellmann, der mit seinem Direktmandat, das er in Leipzig errungen hat, der Partei überhaupt den Einzug in den Bundestag ermöglicht hat.

Als Mitbegründerin und ehemalige Sprecherin der linken Jugendorganisation solid ist sie allerdings bei den jüngeren Parteimitgliedern gut vernetzt. Die jüngste Sexismus-Diskussion innerhalb der Linken ist ihr ein besonderes Anliegen. „Sexismus und erst Recht sexualisierte Gewalt haben Konsequenzen und werden auf keiner Ebene unserer Partei toleriert“, schreibt Reichinnek in ihrer Bewerbung. Sie findet, dass es auch externe Strukturen für Opfer in der Partei geben muss, da man „manche Probleme im eigenen Laden einfach nicht klären kann. Als feministische Partei müssen wir da ran“, so Reichinnek.

Und die Russland-Politik? Da gab es in den vergangenen Monaten heftige innerparteiliche Auseinandersetzungen. Beispielsweise hatten einige Genossen, darunter auch Sahra Wagenknecht, eine Erklärung veröffentlicht, die mehr die Politik der NATO kritisierte als den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Pellmann hat diese Erklärung mitunterschrieben. Nach der Bekanntgabe seiner Kandidatur nannte er dies eine Fehleinschätzung und Putin einen „Turbo-Kapitalisten, der die Ursache für diesen Konflikt ist“. Dies sieht Reichinnek ähnlich. Sie scheint froh zu sein, dass Pellmann seine Position zum Krieg Russlands verändert hat.

Ebenso wie Pellmann findet auch Reichinnek, dass es ein Fehler wäre, nicht mehr mit Wagenknecht zu reden. Pellmann hatte angekündigt, dass er alle linken Promis integrieren wolle. Den Namen Wagenknecht nannte er in diesem Zusammenhang explizit. Aber auch Wagenknechts innerparteiliche Langzeit-Gegnerin Katja Kipping.

Sie wolle nicht in einer Partei sein, die bestimmte Menschen ausschließe, sagte Reichinnek mit Blick auf Wagenknecht. Das sehen viele – gerade jüngere – in der Partei anders. Sie sprechen Wagenknecht ab, die linke Parteilinie zu vertreten.

Alle Kandidaten für den Parteivorsitz betonen übrigens, dass man die Vielstimmigkeit in der Partei überwinden müsse. Tatsächlich streiten sich die verschiedenen Flügel der Linken öffentlich in bemerkenswerter Härte. Reichinnek betonte nun, dass zukünftig „alles, was geklärt werden muss, zuerst in der Partei geklärt werden muss, damit wir nach außen mit einer Stimme sprechen.“

Kaum jemand hätte nach dem Rücktritt von Susanne Hennig-Wellsow vor fünf Wochen die Namen derer, die jetzt kandidieren, nennen können. Die linken Aushängeschilder halten sich bislang zurück. Mit Ausnahme von Wissler will es nun offenbar die zweite oder dritte Reihe versuchen, die Linke aus ihrer existenziellen Krise zu holen. Wer immer beim Parteitag Ende Juni in Erfurt von den Delegierten gewählt wird, hat eine Mammutaufgabe vor sich.

Datum: 25.05.2022
Portal: tagesschau.de
Anlass: Kandidatur für den Parteivorsitz