Niedersächsische Linken-Politikerin stellt AfD mit Gender-Rede bloß

Die Bundestagsabgeordnete Heidi Reichinnek wird für eine Rede übers Gendern in sozialen Netzwerken gefeiert. Viele Nutzerinnen und Nutzer bei TikTok und Instagram teilen das Statement der Linken-Politikerin. Was steckt dahinter?
Elisabeth Woldt

Hannover. „Sehr geehrter Präsident, liebe Kolleg*innen! Das war gegendert. Ganz einfach eigentlich, es tut nicht weh, und ich mach’ das sogar im Alltag. Klingt komisch, is’ aber so.“ Mit diesen Worten beginnt die Bundestagsrede der Linken-Politikerin Heidi Reichinnek, die bereits mehrere Tausend Male in verschiedenen sozialen Netzwerken geteilt wurde.

In den folgenden zwei Minuten erklärt die Politikerin aus Osnabrück, die auch die Landesvorsitzende der Linken in Niedersachsen ist, was sie an den Debatten zum Thema stört und warum eigentlich alles ganz einfach sei: Für viele Menschen mache Gendern einen riesengroßen Unterschied und allen anderen schade es nicht. Und trotzdem: „Es ist übrigens total okay, nicht gendern zu wollen. Sprache ändert sich mit der Zeit und nicht durch Zwang. Und den gibt es natürlich auch nicht“, stellt Reichinnek in ihrer Rede klar.
Reaktion auf einen Antrag der AfD

Warum also überhaupt über das Thema sprechen? Bei der Rede, die ursprünglich am 15. Dezember im Bundestag gehalten wurde, handelt es sich um eine Reaktion auf einen Antrag der AfD. Darin fordert die Partei die Beibehaltung des generischen Maskulinums in Rechts- und Verwaltungsschriften. Dass gerade die AfD immer wieder das Thema aufs Tapet bringe und gleichzeitige jammere, dass man über echte Probleme reden solle, kritisiert die Linken-Politikerin daher in ihrem Beitrag scharf.

„Sie versuchen, Ihre menschenverachtende Ideologie noch irgendwie anschlussfähig zu machen“, sagt Reichinnek, und da Gendern für viele Menschen ungewohnt sei und sie es auch nicht machen wollen, sei das ein Lieblingsthema der AfD. Dabei gebe es eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien, die belegten, dass die Nutzung des generischen Maskulinums dazu führt, dass Frauen und queere Personen unsichtbar gemacht werden.

„Ein Beispiel zum Abschluss gefällig? – In der AfD sind verdammt viele Faschisten. Da denken wir automatisch an Männer und machen damit die Frauen, die an den Grenzen auf Kinder schießen oder den Staat stürzen wollen, unsichtbar.“ Dabei seien die eine genauso große Gefahr wie die Männer in der AfD.

Viel Zuspruch bei Instagram und TikTok

Der Ton gegenüber der AfD, die Herangehensweise an das Thema Gendern und die Bezüge zur bekannten „Sendung mit der Maus“ kommen in sozialen Netzwerken gut an. Während des Statements trägt die 34-jährige Abgeordnete ein T-Shirt mit einem Bild der Maus. Die passende Musik aus der WDR-Kindersendung ist zum Start des Videos im Hintergrund zu hören.

„Das hätte natürlich auch schief gehen können“, sagt Reichinnek im Nachhinein. Dass die Rede nun so viele Menschen erreicht hat, habe sie überrascht. Allein bei TikTok wurde das Video mehr als zwei Millionen Mal aufgerufen. „Man merkt, wir haben da den Nerv getroffen“, sagt die Abgeordnete, die sich über die vielen Kommentare und das positive Feedback freut. Soziale Netzwerke seien für sie und ihr Team eine gute Möglichkeit, auch mit jungen Menschen in Kontakt zu treten.

Trotzdem bleibe es dabei: Eigentlich möchte sie lieber über die wichtigen Probleme reden. Die überlasteten Kinderstationen, Gewalt gegenüber Frauen und queeren Menschen oder auch die aktuelle Situation im Iran. So hat sie erst in dieser Woche eine Patenschaft für die Gefangene Elahe Mohammadi übernommen. „Wir dürfen nicht wegschauen“, sagt die Politikerin und bedankt sich bei allen, die Solidarität zeigen.

Datum: 25.12.2022
Portal: Hannoversche Allgemeine Zeitung
Anlass: Plenarrede