Heidi Reichinnek und Maik Smidt (Linke) besuchen Achimer Tafel

Achim – Die Achimer Tafel und das Magdeburger Viertel könnten ganz bewusst gewählte Orte mit Symbolkraft sein, wenn die Linke in Achim auf Wahlkampftour geht. Immerhin sind Armut, soziale Gerechtigkeit, Teilhabechancen oder die Bekämpfung prekärer Arbeitsverhältnisse Kernthemen der Partei.

Von Christian Walter

Tatsächlich hatten die Bundestagsabgeordnete Heidi Reichinnek und Maik Smidt aus Langwedel, Kreisverdener Direktkandidat für die Landtagswahl, aber bereits anderswo entsprechende Berührungspunkte: Sie bei der Tafel in Osnabrück, er etwa im Bremer Brennpunktviertel Kattenturm, weshalb diese Besuchsorte bei ihrer Achimer Stippvisite am Dienstag nahe lagen.

„Wir haben gehört, wir können mit anpacken“, begrüßte Reichinnek dann Vereinsmitglied Birgit Tobaben und die vielen weiteren ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer der Tafel. Jedoch: Anpacken konnten die beiden Politiker dann kaum. Das lag letztendlich aber nicht an ihren Fähigkeiten, sondern schlicht daran, dass das Team der Tafel so routiniert und eingespielt ist, dass die Gäste unfreiwillig eher im Weg standen.

Tafel muss Lebensmittel zukaufen

So ging es ins ausführliche Gespräch mit Birgit Tobaben, die Reichinnek und Smidt von den derzeitigen Sorgen der Achimer Tafel berichtete. Vor allem zwei Punkte führte sie an: Einerseits haben die Tafeln deutlich mehr bedürftige Kunden als in früheren Jahren, in Achim durchaus auch bedingt durch viele wegen des russischen Angriffskrieges nun hier lebende, kinderreiche Flüchtlingsfamilien aus der Ukraine. Andererseits seien die Lebensmittelpreise so enorm gestiegen, dass die Supermärkte, von denen die Lebensmittelspenden vor allem kommen, weniger und gezielter einkauften. „Die kaufen eher für sich selbst“, so Tobaben, und am Ende des Tages bleibe dann weniger übrig, was der Tafel gespendet werden könne.

Das geht so weit, dass die Tafel sogar Lebensmittelkonserven selbst zukaufen müsse, für den Fall, dass die frische Ware, etwa Gemüse, nicht reiche. Dafür stünden ihr zweckgebundene Bargeldspenden von Privatpersonen zur Verfügung. Tobaben lobt hierbei ausdrücklich die Unterstützung der Achimer Bevölkerung: „Die tragen die Tafel gut mit, auch wenn sie sie nicht benötigen.“ Der NDR hatte Anfang August bereits über die Notwendigkeit von zugekauften Lebensmitteln bei der Achimer Tafel berichtet, und „im Prinzip ist das auch noch so“, sagt die Ehrenamtliche.

Zusätzlich plagten die gemeinnützige Einrichtung zunehmend Nachwuchsprobleme. Die Helferinnen und Helfer seien überwiegend im Rentenalter, meldeten sich auch mal krank, das sei nachvollziehbar. „Kartoffelkisten und Apfelkartons sind schwer, der Boden ist kalt, insofern ist das hier eine beeindruckende Leistung“, lobt sie auch ihre Ehrenamtlichen.

Themen wie steigende Energiepreise für Kühltruhen und Heizung spielten für die Tafel keine herausgehobene Rolle, weil sie auch von den drei Kommunen in ihrem Zuständigkeitsbereich – Achim, Oyten und Thedinghausen – finanziell unterstützt werde. Dennnoch kann eine ehrenamtliche Einrichtung Geld immer gebrauchen.

Spende aus der Linken-Bundestagsfraktion in Aussicht

Und da kam dann ein Angebot aus Berlin gerade recht: Die Linken-Bundestagsfraktion, so berichtete Heidi Reichinnek, sammle jeden Monat von den Diäten der 39 Abgeordneten einen kleinen Teil für wohltätige Zwecke. Ein Fraktionsverein unterstütze damit auf Antrag gezielt soziale Einrichtungen und Projekte. So habe sie auch schon die Osnabrücker Tafel gefördert, nun lud Reichinnek den Achimer Tafel-Verein dazu ein, einen entsprechenden Antrag zu stellen. „Das sind so 800 bis 1000 Euro pro Projekt. Das ist nicht viel, aber für ein paar Konserven oder Tankfüllungen reicht es.“ Das Angebot nahmen Tobaben und ihr Vereinskollege Bruno Kroehn dann auch dankend an.

„Eigentlich ist es traurig, dass so viel Ehrenamt überhaupt nötig ist, um die Fehler der Politik auszubügeln“, spannte Reichinnek schließlich den Bogen hin zur anstehenden Landtagswahl. Die Kandidatinnen und Kandidaten aller politischer Couleur sind derzeit auf der Zielgeraden ihrer Wahlkämpfe, manche haben aufgrund ihres Werdeganges als Berufspolitiker mehr, manche weniger Zeit und Kapazitäten für gezielte Besuche in ihren Wahlkreisen. Zu Letzteren gehören die Linken.

Maik Smidt glaubt an fünf Prozent für die Linke

„Wenn wir die Ressourcen hätten, würden wir sicher mehr machen“, sagte dann auch Maik Smidt im Gespräch mit dieser Zeitung. Dennoch hätten viele Gespräche im Wahlkreis ihm ein gutes Gefühl für die anstehende Wahl gegeben. „Sicherlich ist eine Direktwahl über die Personenstimmen für mich utopisch“, räumte der Langwedeler Familienvater mit Blick auf die prominenten Mitbewerberinnen von SPD und CDU ein, aber „ich glaube mittlerweile daran, dass wir als Partei die fünf Prozent schaffen können“.

Heidi Reichinnek ergänzte vor dem Hintergrund von nur drei Bundestagsabgeordneten der Linken für ganz Niedersachsen: „Man kann nicht überall sein, aber wenn, dann mit Herzblut.“ Und so ging es dann im Anschluss weiter nach Achim-Nord, wo sie und Maik Smidt noch ein paar spontane Straßengespräche mit Bürgerinnen und Bürgern führen wollten. Ein angedachter Besuch im Büz war wieder abgesagt worden – der Termin des Linken-Besuchs habe einfach zu nah am Wahltag gelegen. Ab 16 Uhr schließlich waren Reichinnek und Smidt dann noch an einem Info-Stand in der Fußgängerzone für spontanen Austausch mit Passanten ansprechbar.

Datum: 06.10.2022
Portal: Kreiszeitung.de
Anlass: Wahlkreistermin