von Heidi Reichinnek, erschienen in der Freiheitsliebe
„Respekt für dich“ plakatierte die SPD noch vor wenigen Monaten landauf, landab. Nachdem die neue Bundesregierung außer Ankündigungen bisher nicht viel zustande gebracht hat, können wir nun das erste Mal in konkreter Gesetzesform nachlesen, was genau mit Respekt gemeint ist. Der Gesetzesentwurf für den Kindersofortzuschlag sieht eine monatliche Zahlung von 20 Euro für rund 2,9 Millionen Kinder in Familien mit geringem Einkommen vor.
Dabei scheint inzwischen klar, dass die Höhe nicht anders als mit einem Kuhhandel zu erklären ist, der möglichst wenig Einfluss auf den Linderschen Haushalt haben sollte. Zu Beginn der Debatte hatte die grüne Familienministerin 25 Euro gefordert, der SPD-Minister für Arbeit und Soziales wollte gar nur 10 Euro pro Kind und Monat ausgeben. Sozialverbände hatten schon vor Wochen der Regierung vorgerechnet, wie hoch der Zuschlag sein müsste, um eine tatsächliche Verbesserung zu erreichen. Sie kamen dabei auf eine Summe von 78 Euro, die in den Regelsätzen bei Kindern und Jugendlichen durchschnittlich willkürlich bei der Bedarfsermittlung herausgestrichen werden. Wohlgemerkt: Diese Berechnung berücksichtigt nicht einmal die gestiegenen Bedarfe während der Corona-Pandemie, die Verbände nennen diese Summe daher als absolutes Minimum. Was die Regierung nun als „Zuschlag“ verkaufen will, ist nach zwei Jahren Corona-Mehrausgaben, explodierenden Energiekosten sowie einer grassierenden Inflation mit dem „Applaus für Pflegekräfte“ vergleichbar.
Zu wenig – Zu spät
Neben der empörend niedrigen Summe gibt es ein weiteres Detail, das an eine Frechheit grenzt. Ende November verkündeten SPD, Grüne und FDP die Einigung auf einen gemeinsamen Koalitionsvertrag. In diesem ist der Sofortzuschlag als eine der Maßnahmen verankert. Bis März, also rund vier Monate, dauerte es, bis ein konkretes Gesetz vorgelegt wurde. Und ausgezahlt werden soll er erst ab Juli des Jahres. Gewiss – man muss die nötigen Strukturen für eine solche Auszahlung schaffen. Dass dafür aber mehrere Monate ins Land ziehen ist vollkommen unnötig. Beispielsweise schaffte es die damalige Bundesregierung bei der so genannten „Umweltprämie“ 2009 in 52 Tagen vom Kabinettsbeschluss bis zur Umsetzung. Wir erinnern uns: Um die nach der Finanzkrise gebeutelten Automobilkonzerne zu unterstützen erhielten Bürgerinnen 2.500 Euro, wenn sie ihr mindestens neun Jahre altes Auto verschrotteten und gleichzeitig ein neues kauften. Dass es beim Kindersofortzuschlag mehr als doppelt so lange zwischen Beschluss und Umsetzung braucht, hat nichts mit der größeren Komplexität des entsprechenden Gesetzes zu tun und kann wohl nur mit dem Ziel erklärt werden, die Staatsfinanzen so wenig wie möglich mit dem Auskommen von Familien mit geringem Einkommen zu belasten.
Doch der Kindersofortzuschlag ist aus meiner Sicht nicht nur deshalb ein Problem, weil er kaum eine Verbesserung der aktuellen Lage verspricht, sondern gleichermaßen, weil er ein äußerst schlechtes Vorzeichen für die geplante Einführung einer Kindergrundsicherung ist. Wir als Linke fordern eine solche Kindergrundsicherung schon seit langem. SPD, Grüne und FDP haben sich zwar im Koalitionsvertrag auf eine solche geeinigt, jedoch war ich von Anfang an skeptisch, ob eine Grundsicherung mit FDP-Beteiligung tatsächlich mehr Geld für Kinder oder nur eine – sicherlich auch nötige – Entbürokratisierung bedeutet. Inzwischen scheint sich diese Sorge zu bestätigen, dass auch in diesem Fall die Worte genauso wenig von dem halten, was sie versprechen. Der Sofortzuschlag kommt weder sofort, noch ist er ein ernstzunehmender Zuschlag. Sollte die Kindergrundsicherung sich in der Höhe nicht deutlich von den jetzigen Leistungen unterscheiden, wird er für Kinder nur eines wirklich sichern und das ist ein Aufwachsen in Armut!