Altersarmut in Niedersachsen

Eine visualisierte Datenanalyse zu LINKER Oppositionsarbeit

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Hypothese: Altersarmut wird ein größeres Problem in Niedersachsen.

Altersarmut resultiert oft aus einer unzureichenden Absicherung während des Erwerbslebens und führt zu einer Verschlechterung der Lebensqualität im Alter. Nach Angaben des statistischen Landesamtes in Niedersachsen liegt die Gefahr, in Altersarmut zu geraten, im Jahre 2021 deutlich über dem Landesdurchschnitt einer Armutsgefährdung. Mit meiner Fraktion DIE LINKE. im Bundestag habe ich also bei der Bundesregierung aktuelle Daten abgefragt, um diese Hypothese zu entkräften oder zu untermauern. Hier habe ich die gewonnenen Daten analysiert und aufbereitet.

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Erkenntnis 1:
Immer mehr Rentner*innen
leben in Armut.

Die Altersarmut hat sich dramatisch entwickelt. Fast jeder 5. Altersrentner (18,4%) lebt in Armut. Besonders dramatisch: liegt der Bevölkerungsdurchschnitt bei 16,8%, liegt er bei Frauen über 65 Jahren bei 20,2% – also mehr als jede 5. Rentnerin. 

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Erkenntnis 2: Immer mehr Rentner*innen beziehen Grundsicherung.

Die Anzahl von Personen im Empfängerkreis Grundsicherung im Alter stieg in Niedersachsen von 2012 bis 2021 um 30,8%. In Niedersachsen bezogen im Jahr 2012 95.299 Menschen Grundsicherung. Dabei hielten sich Grundsicherung im Alter (46.714) und Erwerbsminderung (48.585) die Waage. 2021 bezogen bereits 120.245 diese Leistung, darunter 59.140 Grundsicherung im Alter, 61.100 wegen Erwerbsminderung.

Das entspricht im einem Anstieg von 0,5% im Verhältnis Grundsicherungsempfänger im Alter zu Altersrentnern (nur Inlandsrenten) in diesem Zeitraum. Besonders dramatisch wird es allerdings mit Blick auf Grundsicherungsfälle bei Erwerbsminderung mit Rentenbezug: hier ist der Prozentsatz von Grundsicherungsfällen von 10,1 auf 13,8%, also um 2,7% gestiegen.

Die Pro-Kopf-Ausgaben für die Grundsicherung sind überproportional angestiegen, weil immer mehr Menschen auf immer höhere Leistungen angewiesen sind.

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Erkenntnis 3: Frauen sind deutlich schlechter gestellt.

Die Altersrentenzahlbeträge legen dar, dass in den letzten 10 Jahren Bestand hatte, das Frauen rund 500 Euro weniger Rentenleistung in Anspruch nehmen können als Männer. Hierfür gibt es eine Vielzahl an Gründen. Der Gender Pay Gap spielt hier ebenso hinein wie Erwerbszeitunterbrechungen durch Elternzeit sowie die Übernahme von Sorgearbeit. Wir reden hier auch vom Durchschnitt, also sind traditionelle Rollenbilder, wie sie insbesondere in Westdeutschland ausgeprägt waren, signifikant. Das erklärt auch das schlechtere Abschneiden Niedersachsens im Gesamtvergleich, der die neuen Länder mit berücksichtigt.

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Erkenntnis 4: Immer mehr Rentner*innen beziehen Grundsicherung.

„Wir haben einen der besten Niedriglohn-
sektoren aufgebaut, den es in Europa gibt

Ehem. Bundeskanzler
Gerhard Schröder über
die Hartz-IV Reformen

2005, Weltwirtschaftsforum

Geringfügig entlohnt Beschäftigte mit einem Minijob sichern sich nur dann einen Anspruch auf Erwerbsminderung, Reha-Leistungen und auf eine Altersrente, wenn sie (im gewerblichen Bereich) den Pauschalbetrag ihres Chefs oder ihrer Chefin selbst um den Eigenanteil von 3,6 Prozent zur Rentenversicherung ergänzen, sich also nicht von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen.

Nach Auswertungen der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit waren im Juni 2022 von rund 7,33 Millionen geringfügig entlohnt Beschäftigten mit Wohnort in Deutschland rund 1,46 Millionen rentenversicherungspflichtig beschäftigt („Voller Beitrag“). Der Anteil in Niedersachsen ist mit 20,6 Prozent nur geringfügig höher. Dh. rund ein Fünftel aller geringfügig Beschäftigten zahlen vollen Beitrag.

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Enderkenntnis und Schlussfolgerung.

Niemand soll im Alter von weniger als 1.200 Euro netto leben müssen. Fast ein Drittel aller Rentner in Niedersachsen erhält trotz Beitragszahlung von mehr als 40 Jahren aber weniger als 1.200 Euro Rente. Das ist Systemversagen. Mehr und mehr Rentner sind im Alter auf Grundsicherung angewiesen, denn seit 2018 ist die Zahl der Rentner in Armut explodiert. Fast jeder Fünfte ist statistisch gesehen arm.

Besonders hart trifft es im Alter Frauen. Im Durchschnitt erhalten Frauen im Land 741 Euro Rente – das ist deutlich schlechter als im Bundesdurchschnitt. Der Altersarmut von Frauen muss mit der besseren Bezahlung und Entlastung der Sozial- und Erziehungsberufe und der Pflege begegnet werden. Auch Tarifkämpfe finden immer unsere volle Unterstützung. 

In den Großstädten explodieren die Mieten, die sich viele Menschen im Alter nicht mehr leisten können. Mehr und mehr Rentner sind daher auf Wohngeld angewiesen oder müssen ihren Wohnsitz verlassen. Diese Verdrängung bestärkt die Vereinsamung der älteren Generationen. Die Inflation und gestiegenen Energiepreise fressen immer mehr von den mageren Renten auf. Das kann in einem der reichsten Länder der Welt nicht unser Anspruch sein.

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Lösungsansatz:
Solidarische Mindestrente und System für *alle*.

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„Reichinnek sprach sich mit Blick auf die Daten für eine sogenannte solidarische Mindestrente von 1200 Euro netto aus – und für ein Rentensystem, in das nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Selbständige und Beamte einzahlen. „In den Großstädten explodieren die Mieten, die sich viele Menschen im Alter nicht mehr leisten können. Mehr und mehr Rentner sind daher auf Wohngeld angewiesen oder müssen ihren Wohnsitz verlassen.“ Hohe Inflation und gestiegene Energiekosten verschärften die Situation.“

HAZ, 06.02.2023, Karl Doeleke

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Woher kommen die Daten?

Die Daten sind Bestandteil der kleinen Anfrage „Altersarmut in Niedersachsen und Deutschland“ von meinem Kollegen Matthias W. Birkwald, MdB, mir und der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag. Sie entstammen den folgenden Quellen: