Meine Reden

im Bundestag

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Niemand wird zum Gendern gezwungen

Beratung des von der AfD

eingebrachten Antrags zu Auswirkungen geschlechtergerechter Sprache sowie des generischen Maskulinums auf die Wort- und Schriftsprache und ihre Wahrnehmung in der Bevölkerung

15.12.2022

 

Transkript

Sehr geehrter Präsident!

Liebe Kolleg*innen!

Das war: gegendert. Ganz einfach eigentlich. Es tut nicht weh, und ich mache das sogar im Alltag, freiwillig. Klingt komisch, ist aber so!

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Martin Reichardt [AfD]: Ja, das ist genau Ihr intellektuelles Niveau: „Die Sendung mit der Maus“!)

– Ich mache das so, damit auch Sie mich verstehen; keine Sorge. Aufpassen! –

Für viele Menschen macht das einen riesengroßen Unterschied, und allen anderen schadet es nicht. So einfach ist das, würde man meinen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD – Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Die „Sendung mit der Maus“ heißt ja auch „Sendung mit der Maus“ und nicht: Die Sendung mit der Mäusin! – Gegenruf der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist niveaulos!)

Trotzdem haben wir wegen Ihnen von der AfD wieder so eine Diskussion hier im Plenum, in der Sie aufgrund mangelnder Kompetenz – also, mal ehrlich, was können Sie eigentlich? – das Thema Gendern aufs Tapet bringen und ein bisschen Content für die sozialen Medien kreieren wollen. Gleichzeitig jammern Sie, dass man nicht übers Gendern, sondern über echte Probleme reden sollte. Okay, gut, so machen wir das.

Reden wir darüber, dass Frauen auf dem Weg in die wenigen Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten, belästigt und bedroht werden.
Reden wir darüber, dass Gewalt gegen queere Menschen auf einem Höchststand ist.
Reden wir darüber, dass Geflüchtetenunterkünfte brennen, und reden wir darüber, welche Rolle die AfD bei diesem Hass und dieser Hetze spielt.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber das wollen Sie natürlich nicht. Sie versuchen, Ihre menschenverachtende Ideologie noch irgendwie anschlussfähig zu machen, und da Gendern für viele Menschen ungewohnt ist und sie es auch nicht machen wollen, ist das ein Lieblingsthema der AfD. Es ist übrigens total okay, nicht gendern zu wollen. Sprache ändert sich mit der Zeit, nicht durch Zwang, und den gibt es auch nirgends, egal wie oft Sie das behaupten; außer natürlich in Thüringen, wo die AfD Hand in Hand mit der CDU den Zwang zum generischen Maskulinum durchgesetzt hat. Herzlichen Glückwunsch dazu!

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dabei gibt es eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien, die eindeutig belegen, dass die Nutzung des generischen Maskulinums dazu führt, dass Frauen und queere Personen unsichtbar gemacht werden. Ein Beispiel zum Abschluss gefällig? – In der AfD sind verdammt viele Faschisten.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Da denken wir automatisch an Männer und machen damit die Frauen, die an den Grenzen auf Kinder schießen oder den Staat stürzen wollen, unsichtbar.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Ein gutes Beispiel!)

Dabei sind die eine genauso große Gefahr wie die Männer in der AfD und gehören genauso wenig in dieses Parlament.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Kinderstationen vor dem Kollaps

Aktuelle Stunde

Krise in den Kinderkliniken. Eingebracht von der Fraktion DIE LINKE.

15.12.2022

 

Transkript

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Wir alle haben Angst, dass ein Kind stirbt, weil es einfach alles zu viel ist.“ Das sagte die Chefärztin der Kinder- und Jugendmedizin am St. Joseph Krankenhaus hier in Berlin diese Woche. Verzweifelte Eltern müssen mit ihren kranken Kindern stundenlang in der Notaufnahme warten. Die Kinder haben Schmerzen, leiden. Und ob sie überhaupt behandelt werden können, weiß niemand; denn Betten sind knapp, das Personal ist überlastet, Operationen werden verschoben. Das geht so weit, dass dem Vater eines jungen Mädchens mit gebrochenem Arm gesagt wird, notfalls müsse der Arm dann eben noch mal gebrochen werden, um ihn später richtig zu behandeln, wann auch immer „später“ ist. Denn es werden täglich Hunderte Operationen verschoben, die irgendwann nachgeholt werden sollen. Das ist die Realität. Ich frage Sie: Was ist das für eine Gesellschaft, die so mit kranken Kindern umgeht?

(Beifall bei der LINKEN)

Während die Versorgung der Kleinsten nicht mehr sichergestellt ist, machen private Klinikbetreiber auf Kosten unserer Gesundheit Hunderte Millionen Euro Gewinn.

(Lachen des Abg. Dr. Andrew Ullmann [FDP])

Ja, wir pumpen Geld ins Gesundheitssystem, und zwar auf die Konten der Großkonzerne. Na, herzlichen Dank dafür!

(Beifall bei der LINKEN)

Wie pervers ist das!?

Sie, Herr Lauterbach, sagen: Wir werden alles tun. – Das stimmt einfach nicht; Sie unterwerfen die Gesundheit weiter dem Marktmechanismus. Und Sie haben wirklich die Chuzpe, uns zu fragen, was wir glauben, wer wir sind, weil wir ein Gesundheitssystem wollen, das sich nicht an Profiten, sondern am Wohl der Menschen orientiert!?

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Olaf in der Beek [FDP])

Ich sage Ihnen, wer wir sind: Wir sind die, die sich nicht kaufen lassen. Aktuell laufen Eltern verzweifelt von Apotheke zu Apotheke, weil es keinen Fiebersaft mehr gibt, keine Antibiotika. Sie wenden sich an Bekannte, sogar an Fremde und versuchen, im Ausland an diese Medikamente ranzukommen. Das alles passiert vor unseren Augen. Und übrigens, Herr Minister Lauterbach, für Sie ist das alles auch auf Twitter nachzulesen; das scheint ja der einzige Weg zu sein, auf dem man mit Ihnen kommunizieren kann. Schauen Sie mal unter #kindheitbrennt. Da können Sie einiges lernen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Medikamentenmangel führt doch direkt in einen Teufelskreis. Wo müssen denn fiebernde Kinder hin, wenn es keine Medizin mehr gibt?

(Zuruf der Abg. Emmi Zeulner [CDU/CSU])

Genau, in die Notaufnahme, weil die Eltern nicht mehr wissen, was sie machen sollen. Und dort muss das vollkommen überlastete Personal jetzt auch noch das Marktversagen bei den Medikamenten auffangen.

Wo sind die Krisengipfel und Sofortpakete zur Entlastung der Kinderkliniken? Wo ist der Notfallbeschaffungsplan für Kindermedikamente? Jede zweite Klinik musste Kinder abweisen, die ein Intensivbett brauchten. Auf den Stationen müssen vollkommen überlastete Pflegekräfte jetzt zusätzlich Kinder versorgen, obwohl sie dafür gar nicht ausgebildet sind, aber dahin versetzt wurden. Die haben panische Angst, Fehler zu machen. Erste Kinderkliniken starten Aufrufe an die Bevölkerung, bei der Versorgung von Kindern auszuhelfen – medizinische Kenntnisse nicht erforderlich. Was wollen Sie unternehmen? Das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz ist eine Farce. Und was Sie weiterhin nicht haben, ist ein Plan zur Fachkräftegewinnung, ein Plan, um die Ausbildung endlich so gestalten, dass sich junge Menschen diese Ausbildung überhaupt leisten können, ein Plan, um die, die ihren Job aufgegeben haben, zurückzuholen. 300 000 Pflegekräfte haben angegeben, in ihren alten Job zurückzukehren, wenn sich die Bedingungen verbessern – Fachkräfte, die wir dringend auch auf den Kinderstationen brauchen. Gesundheit ist keine x-beliebige Ware, mit der Großkonzerne und Aktionärinnen und Aktionäre Kasse machen sollen.

(Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Bravo!)

Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht, nicht Spekulationsobjekt. Daseinsvorsorge gehört in öffentliche Hand.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Staatsmedizin! Also doch!)

Minister Lauterbach, es ist übrigens schön, dass Sie jetzt zum ersten Mal eine Revolution im Gesundheitssystem ankündigen,

(Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Läuft schon!)

weil Sie jetzt endlich auch verstanden haben, dass es ein Ungleichgewicht zwischen Gesundheit und Ökonomie gibt. Aber Sie haben doch damals das brandgefährliche System der Fallpauschalen mit vorangetrieben und damit dafür gesorgt, dass Krankenhäuser ihre Abteilungen nach Rentabilität aussortiert haben. Und, oh Wunder: Kinderkliniken lohnen sich einfach nicht. Jetzt sagen Sie ja selbst, dass 60 Prozent der Kinderkliniken kurz vor dem finanziellen Ruin stehen. Wer glaubt da noch an den selbsternannten Revolutionsführer Lauterbach?

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir trauen Ihnen nicht mal mehr ein Reförmchen zu. Dass Profit über allem steht, schadet der großen Mehrheit unserer Gesellschaft, vor allem Kindern und Jugendlichen. Aber hey, wen interessieren die schon? Während der Coronapandemie wurden sie ja auch nur beachtet, wenn es darum ging, sie zu betreuen, damit die Eltern weiter arbeiten gehen konnten. Das kann ich Ihnen aus meiner Erfahrung in der Jugendhilfe ziemlich deutlich erzählen. Gegen die psychischen und physischen Auswirkungen der Krisen gibt es weiterhin nichts. Kinder und Jugendliche haben in den letzten Jahren so viel durchgemacht: Freundinnen und Freunde nicht getroffen, Klassenfahrten nicht mitgemacht, Chaos in Kitas und Schulen, die Angst, liebe Menschen anzustecken. Und trotzdem haben die Kinder und Jugendlichen, ohne zu meckern, Masken getragen und sich regelmäßig getestet – im Gegensatz zu manchen Erwachsenen übrigens.

(Beifall bei der LINKEN)

Nicht nur die Kliniken sind am Limit. Die Kitas und Schulen stehen vor dem Kollaps. Die Jugendhilfe und die therapeutische Betreuung brechen zusammen. Und wen trifft das besonders hart? Natürlich die Kinder und Jugendlichen, die aus armen Familien kommen. Sie werden öfter und länger krank, sind stärker von psychischen Erkrankungen betroffen, sie leiden unter Zukunftsängsten, und das ja leider auch zu Recht; denn sie sind im Bildungssystem massiv benachteiligt, haben kaum Chancen, ihre Lebensumstände zu verbessern, können weniger an der Gesellschaft teilhaben. Zu all diesen Problemen liegen zahlreiche Studien vor. Es geht nicht nur um die Kinderkliniken. Es geht um alle Bereiche für Kinder und Jugendliche. Ja, Kindheit brennt! Und Ihre bisherigen Löschversuche sind kläglich gescheitert. Eine echte Revolution muss mit der Marktlogik brechen. Kinder müssen sich nicht rechnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nette Idee, Chaos in der Umsetzung

Erste Beratung des von der Bundesregierung

eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung (KiTa-Qualitätsgesetz)

12.10.2022

 

Transkript

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Dass der Bund sich engagiert, um die Kitasituation zu verbessern, ist dringend geboten. Die Idee des KiTa-Qualitätsgesetzes ist also völlig richtig. Aber wie Sie das machen, ist typisch für die Ampel: nette Idee, komplettes Chaos in der Umsetzung.

(Beifall bei der LINKEN)

Es war klar, dass das Gute-KiTa-Gesetz zum 31. Dezember 2022 auslaufen wird. Trotzdem legen Sie erst Mitte August einen Gesetzentwurf vor. Hätte dieser wenige Änderungen beinhaltet, wäre das vielleicht machbar gewesen. Doch mit dem Gesetzentwurf produzieren Sie einen erheblichen Umsetzungsaufwand, der nicht zu stemmen ist. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, stampfen Sie mal eben das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ ein.

(Matthias Seestern-Pauly [FDP]: Tun wir ja nicht!)

Länder, Kommunen, Träger – sie alle wissen nicht, wie es nach dem 31. Dezember damit weitergehen soll. Dass Sprachförderung als Qualitätsmerkmal in das KiTa-Qualitätsgesetz und von der Projektförderung in die strukturelle Förderung überführt werden soll, ist ja richtig; aber niemand hat einen Plan, wie das so schnell gehen soll. Es läuft halt typisch für die Ampel: nette Idee, absolutes Chaos in der Umsetzung.

(Beifall bei der LINKEN – Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Typisch für Die Linke: Phrasen dreschen!)

Übrigens wissen auch die 6 800 Fachkräfte, die über das Programm finanziert werden, nicht, wie es weitergeht; die orientieren sich neu. Mit Blick auf Ihre groß angekündigte Fachkräfteoffensive in Erziehungsberufen nur ein Tipp: Die Idee wäre, Fachkräfte zu gewinnen und zu halten, nicht zu verprellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Verbände hatten, nachdem Sie Monate mit internen Beratungen zubrachten, ganze zwei Tage Zeit, um zum Gesetzentwurf Stellung zu nehmen. Zwei Tage! Das können vielleicht große Industrieverbände leisten, zu denen Sie ja traditionell die besten Kontakte haben und die – aus Gründen – sowieso schon riesige Juraabteilungen beschäftigen. Aber für ehrenamtliche und gemeinnützige Organisationen, denen es nicht um wirtschaftliche Interessen geht, sondern darum, dass ihre Kinder in einem guten Umfeld aufwachsen, ist es eine ziemliche Höchstleistung, mitten in der Sommerpause so einen Gesetzentwurf durchzuarbeiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Dennoch haben die in der Kürze der Zeit zahlreiche Kritikpunkte herausgearbeitet, die wir voll und ganz unterstützen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Besonders fatal: Das Kitasystem ist chronisch unterfinanziert; jedes Jahr steigt das Defizit um weitere 3 Milliarden Euro. Statt zumindest die Inflation aufzufangen, legt die Bundesregierung einen Sparhaushalt vor und stellt nicht einmal die Summe des Vorjahres für den Kitabereich bereit. Sie tun schlicht so, als gäbe es die Inflation nicht. Dabei hat sie doch zumindest für den Finanzminister eine richtig positive Seite: Im ersten Halbjahr sind durch die hohen Preise die Einnahmen allein aus der Mehrwertsteuer um 30 Milliarden Euro angestiegen. Wegen 260 Millionen Euro stellen Sie das Programm „Sprach-Kitas“ ein, haben aber gleichzeitig zig Milliarden Euro für Steuererleichterungen übrig, die in erster Linie Gut- und Besserverdienenden zugutekommen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Unglaublich!)

Man muss festhalten: Sie haben Prioritäten, und das sind die falschen.

(Beifall bei der LINKEN)

Da passt es auch wirklich zu gut, dass die Gebührenfreiheit in Zukunft kein förderfähiges Kriterium mehr sein soll. Aber gut – das wurde gesagt –: Als Sie die Eckpunkte angekündigt haben, haben Sie zumindest beteuert, dass bei den Gebühren eine Einkommensstaffelung verpflichtend sein soll. Aber schon damals habe ich mich gefragt, ob Sie das mit den Ländern abgesprochen haben. Nun kam die Stellungnahme des Bundesrats: Die Länder tragen das so nicht mit, die wussten nichts von ihrem Glück. Ich sage mal: Typisch für die Ampel – nette Idee, Chaos in der Umsetzung. Dabei brauchen wir dringend gute frühkindliche Bildung und Betreuung für alle. Wir helfen Ihnen gerne, aus den netten Ideen auch Gesetze zu machen, die funktionieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Abschaffung der Kostenheranziehung

Erste Beratung des von der Bundesregierung

eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abschaffung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe

28.09.2022

 

Transkript

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zuerst einmal möchte ich meinen großen Dank an alle aussprechen, die an diesem Bericht mitgewirkt haben; denn er zeigt umfassend auf, warum Kinder- und Jugendbeteiligung wichtig ist und wie sie erreicht werden kann. Die Bundesregierung stimmt in ihrer Stellungnahme auch allem zu, macht aber exakt nichts. Ich will Sie jetzt nicht in ein falsches Licht rücken: Sie machen nicht nichts. Sie kürzen den gesamten Bereich der Kinderund Jugendpolitik um 400 Millionen Euro. Das sind 40 Prozent. Im Kinder- und Jugendplan steht ein Minus von fast 25 Prozent. Ich weiß, Sie sagen dann sofort: Ein Großteil der Kürzungen kommt durch die Nichtverlängerung des Coronaaufholpakets zustande, das wäre zeitlich befristet. – Das ist ein Argument, aber kein gutes.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn weder ist Corona vorbei, noch sind die Folgen ausgeglichen. Eine ganze Generation ist in den letzten Jahren abgehängt worden und hat als Ansage mitbekommen: Eure Interessen spielen für uns keine Rolle, und wenn ihr sie selbst vertreten wollt, na ja, dann viel Glück! – Da ist es fast schon symptomatisch, dass die grüne Ministerin ihre Redezeit überzieht, der FDP-Vizepräsident dann der jüngsten Abgeordneten im Bundestag die Redezeit um die Hälfte kürzt – und das in der Debatte zum Thema Jugendbeteiligung. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall bei der LINKEN)

Der vorliegende Bericht sagt auf 640 Seiten immer und immer und immer wieder: Kinder und Jugendliche müssen stärker beteiligt werden. Wir können uns auch neue Zahlen anschauen. Im Kinderreport des Deutschen Kinderhilfswerks von 2022 liest man – Überraschung –: 83 Prozent der Befragten sagen, dass ihre Interessen eher wenig bis gar nicht berücksichtigt werden. 83 Prozent! Das macht dann richtig Bock auf Demokratie; das haben wir gerade gehört. Trotzdem fordern über drei Viertel der Kids, dass es mehr Kinder- und Jugendparlamente gibt. Sie wollen sich einbringen, sie wollen mit bestimmen, immer noch. Deswegen stehen sie heute auf der Straße und kämpfen für ihre Zukunft. Dafür muss man echt einmal Danke sagen. Zum Glück machen sie das noch. Ich wünsche ihnen heute viel Erfolg dabei.

(Beifall bei der LINKEN)

Kinder und Jugendliche lernen Demokratie nicht darüber, dass sie die Anzahl der Abgeordneten auswendig lernen oder die Namen der Minister/-innen. Sie lernen das durch echte Beteiligungsstrukturen, in denen sie wirklich Entscheidungen treffen können: in der Schule, im Jugendklub, in Jugendhilfeeinrichtungen. Jugendliche brauchen Freiräume, um sich auszuprobieren, um auch einmal zu scheitern. Und das passiert vor Ort. Darum brauchen wir eine bessere Ausstattung in der Kinder-, Jugend- und Sozialarbeit, der Jugendhilfe, in Schulen und Kitas, damit dort Beteiligung gelebt werden kann. Das braucht Ressourcen und Personal, und das muss langfristig ausgestattet werden. Stattdessen gibt es immer wieder kurzfristige Projekte. Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen: Ich war Mitarbeiterin bei einem „Demokratie leben!“-Projekt. Ein tolles Konzept! Man muss den Antrag stellen; das muss sich der Träger leisten können. Wenn Sie es dann vielleicht geschafft haben, müssen Sie Zwischenberichte schreiben. Es gibt eine hochkomplexe Version, um das abzurechnen. Dann müssen Sie das Projekt bekannt machen. Dann müssen Sie Leute anwerben. Und wenn Sie dann endlich Zeit haben, mit den Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, ist das Projekt schon wieder vorbei. Und dann sagen Sie: Hey, das können die Kommunen doch in den Regelstrukturen finanzieren. – Aber die Kommunen haben kein Geld. Ja, grandios! Da müssten Sie als Fortschrittskoalition doch einmal ran. Aber das machen Sie nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihre Politik unterscheidet sich im Bereich Kinder- und Jugendarbeit von der der GroKo doch nur dadurch, dass Sie ein paar TikTok-Accounts haben – und die sind nicht einmal gut.

(Beifall bei der LINKEN)

16. Kinder- und Jugendbericht

Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Bericht über die Lage junger Menschen und die Bestrebungen und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe

23.09.2022

 

Transkript

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zuerst einmal möchte ich meinen großen Dank an alle aussprechen, die an diesem Bericht mitgewirkt haben; denn er zeigt umfassend auf, warum Kinder- und Jugendbeteiligung wichtig ist und wie sie erreicht werden kann. Die Bundesregierung stimmt in ihrer Stellungnahme auch allem zu, macht aber exakt nichts. Ich will Sie jetzt nicht in ein falsches Licht rücken: Sie machen nicht nichts. Sie kürzen den gesamten Bereich der Kinderund Jugendpolitik um 400 Millionen Euro. Das sind 40 Prozent. Im Kinder- und Jugendplan steht ein Minus von fast 25 Prozent. Ich weiß, Sie sagen dann sofort: Ein Großteil der Kürzungen kommt durch die Nichtverlängerung des Coronaaufholpakets zustande, das wäre zeitlich befristet. – Das ist ein Argument, aber kein gutes.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn weder ist Corona vorbei, noch sind die Folgen ausgeglichen. Eine ganze Generation ist in den letzten Jahren abgehängt worden und hat als Ansage mitbekommen: Eure Interessen spielen für uns keine Rolle, und wenn ihr sie selbst vertreten wollt, na ja, dann viel Glück! – Da ist es fast schon symptomatisch, dass die grüne Ministerin ihre Redezeit überzieht, der FDP-Vizepräsident dann der jüngsten Abgeordneten im Bundestag die Redezeit um die Hälfte kürzt – und das in der Debatte zum Thema Jugendbeteiligung. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall bei der LINKEN)

Der vorliegende Bericht sagt auf 640 Seiten immer und immer und immer wieder: Kinder und Jugendliche müssen stärker beteiligt werden. Wir können uns auch neue Zahlen anschauen. Im Kinderreport des Deutschen Kinderhilfswerks von 2022 liest man – Überraschung –: 83 Prozent der Befragten sagen, dass ihre Interessen eher wenig bis gar nicht berücksichtigt werden. 83 Prozent! Das macht dann richtig Bock auf Demokratie; das haben wir gerade gehört. Trotzdem fordern über drei Viertel der Kids, dass es mehr Kinder- und Jugendparlamente gibt. Sie wollen sich einbringen, sie wollen mit bestimmen, immer noch. Deswegen stehen sie heute auf der Straße und kämpfen für ihre Zukunft. Dafür muss man echt einmal Danke sagen. Zum Glück machen sie das noch. Ich wünsche ihnen heute viel Erfolg dabei.

(Beifall bei der LINKEN)

Kinder und Jugendliche lernen Demokratie nicht darüber, dass sie die Anzahl der Abgeordneten auswendig lernen oder die Namen der Minister/-innen. Sie lernen das durch echte Beteiligungsstrukturen, in denen sie wirklich Entscheidungen treffen können: in der Schule, im Jugendklub, in Jugendhilfeeinrichtungen. Jugendliche brauchen Freiräume, um sich auszuprobieren, um auch einmal zu scheitern. Und das passiert vor Ort. Darum brauchen wir eine bessere Ausstattung in der Kinder-, Jugend- und Sozialarbeit, der Jugendhilfe, in Schulen und Kitas, damit dort Beteiligung gelebt werden kann. Das braucht Ressourcen und Personal, und das muss langfristig ausgestattet werden. Stattdessen gibt es immer wieder kurzfristige Projekte. Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen: Ich war Mitarbeiterin bei einem „Demokratie leben!“-Projekt. Ein tolles Konzept! Man muss den Antrag stellen; das muss sich der Träger leisten können. Wenn Sie es dann vielleicht geschafft haben, müssen Sie Zwischenberichte schreiben. Es gibt eine hochkomplexe Version, um das abzurechnen. Dann müssen Sie das Projekt bekannt machen. Dann müssen Sie Leute anwerben. Und wenn Sie dann endlich Zeit haben, mit den Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, ist das Projekt schon wieder vorbei. Und dann sagen Sie: Hey, das können die Kommunen doch in den Regelstrukturen finanzieren. – Aber die Kommunen haben kein Geld. Ja, grandios! Da müssten Sie als Fortschrittskoalition doch einmal ran. Aber das machen Sie nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihre Politik unterscheidet sich im Bereich Kinder- und Jugendarbeit von der der GroKo doch nur dadurch, dass Sie ein paar TikTok-Accounts haben – und die sind nicht einmal gut.

(Beifall bei der LINKEN)

Rückschritte der Fortschrittskoalition

Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU

Qualität in der Kinderbetreuung sicherstellen – Bundesprogramm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ muss fortgesetzt werden

 

21.09.2022

 

Transkript

Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleg:innen und Kollegen!

Jede achte Kita in Deutschland wird durch das Programm „Sprach-Kitas“ gefördert. 7 500 Fachkräfte werden darüber finanziert, was wiederum über 500 000 Kindern zugutekommt – ziemlich beeindruckende Zahlen. Davon profitieren alle Kinder, die Aufholbedarf in ihrer Sprachentwicklung haben. Sprachförderung ist sinnvoll und muss gestärkt werden;

(Beifall bei der LINKEN)

ich denke, darüber sind sich hier alle einig. Deswegen finden wir als Linke den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP an der Stelle auch richtig gut, an der steht – Zitat –: „Wir wollen „das Programm ‚Sprach-Kitasʼ weiterentwickeln und verstetigen“. Deswegen ist es ja auch nur konsequent, dass die Ampel jetzt die Sprach-Kitas absägt, quasi über Nacht.

(Zurufe von der CDU/CSU und der AfD: Ja! – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Blödsinn! – Nina Stahr [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Verstetigen“!)

Also, ich weiß nicht, wie es dem Rest hier geht, aber Verstetigen und Streichen, das sind zwei verschiedene Dinge.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Und dann sagt die Ampel, gerade wieder geschehen: Sprachförderung geht doch jetzt über das KiTa-Qualitätsgesetz, als Regelfinanzierung, weg von Projektmitteln. – Da bin ich ja voll bei Ihnen, das ist richtig so. Aber mal ehrlich: Das klingt nett, nur ist das gut Gemeinte hier so was von nicht gut gemacht!

(Beifall bei der LINKEN)

Das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ läuft zum 31. Dezember 2022 aus. Das neue Gesetz greift – nach allen Verhandlungen – ab dem 1. Juli 2023. Da war doch von Anfang an klar, dass der Übergang nicht vernünftig organisiert werden kann.

(Beifall der Abg. Nadine Schön [CDU/CSU])

Sie machen doch genau das Gegenteil von dem, was Sie behaupten zu tun. Wie kann man denn so eine gute Idee nehmen und sie dann so vor die Wand fahren?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist Ihnen jetzt ja anscheinend auch aufgefallen. Und jetzt soll es eine Übergangslösung bis Juli 2023 geben. Auch da weiß niemand, wie die aussehen soll. Dadurch verlieren wir Fachkräfte in Massen. Es mag Ihnen nicht bekannt sein, aber man muss sich drei Monate vor Jobende arbeitslos melden. In dieser Phase sind wir jetzt, und Sie haben nicht wirklich eine Lösung. Jetzt frage ich mich: Haben Sie bei der Planung nicht gewusst, dass das passiert, oder hat es Sie einfach nicht interessiert? Das können Sie mir gerne mal erklären. Aber erklären Sie das vor allem denen, die dann ohne Job dastehen, und den Familien und den Kindern, die ihre Bezugspersonen in den Kitas verlieren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wer hätte gedacht, dass wir mal bei den Linken klatschen!)

Ob und wie genau die Sprachförderung über das sogenannte KiTa-Qualitätsgesetz gefördert wird, ist offen, vor allem, weil Sie mit diesem Gesetz, das seinen Namen übrigens nicht verdient, die Mittel für Kitas kürzen und Länder, Kommunen und Träger mit den aktuellen Kostensteigerungen alleinlassen; auch das ist Fakt. Der Bund muss hier mehr liefern. Nur so lässt sich die chronische Unterfinanzierung der Kitas beenden. Weder dafür noch für den Fachkräftemangel haben Sie doch irgendeine Lösung. Aber gut. Neu ist das alles nicht. Es ist ja schön, dass Sie, liebe CDU/CSU, jetzt in der Opposition ihr Herz für Kinder entdecken. Aber das ist schon ziemlich scheinheilig, liebe Kolleginnen und Kollegen;

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Bis jetzt war die Rede ganz okay!)

denn 16 Jahre lang haben Sie exakt alles Hilfreiche in diesem Bereich blockiert, von der Kindergrundsicherung oder „Kinderrechte ins Grundgesetz“ mal ganz zu schweigen. Dass Sie sich jetzt als Retterin der SprachKitas aufschwingen, ist, gelinde gesagt, ein bisschen peinlich. Wir werden Ihren Antrag auch deshalb ablehnen, weil er unter anderem die Sprach-Kitas gegen die Demokratieförderung ausspielt. Da können Sie vielleicht Applaus von rechts erwarten, aber nicht von uns.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])

Der Bundesrat – ich muss zum Schluss kommen – hat sich, wie wir alle wissen, einstimmig für den Erhalt der Sprach-Kitas ausgesprochen. Der Antrag dazu kam aus Mecklenburg-Vorpommern, natürlich aus einem Land, in dem Die Linke mitregiert.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Da haben wir wohl zu früh geklatscht!)

Deswegen wird da auch gute Politik gemacht.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir werden die Weiterführung der Sprach-Kitas in den Haushaltsberatungen beantragen. Wir hoffen, dass wir dann gemeinsam vorankommen. Ein letzter Satz, Frau Präsidentin. – Liebe Ampel, mal ehrlich, bei dem Chaos, das Sie hier veranstalten, hätten wir auch die GroKo behalten können.

(Beifall bei der LINKEN)

§ 219a fällt: eine Selbstverständlichkeit wird Realität!

Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (§ 219a StGB), zur Änderung des Heilmittelwerbegesetzes und zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch

 

13.05.2022

 

Transkript

Heidi Reichinnek (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach über 90 Jahren wird der Naziparagraf 219a,

(Nina Warken [CDU/CSU]: Falsch!)

mit dem Frauen sowie Ärztinnen und Ärzte entmündigt und drangsaliert werden, bald endlich der Vergangenheit angehören.

(Stephan Brandner [AfD]: Wann schaffen Sie den 1. Mai als Feiertag ab?)

Dafür sorgen wir jetzt.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bezeichnung „Werbeverbot“ ist dabei einfach nur widerwärtig und untergräbt noch heute den Kampf der Frauen für körperliche Selbstbestimmung. Das ist doch der Kern, um den es hier geht: Es geht nicht um Werbung, es geht um neutrale und umfassende Informationen über einen medizinischen Eingriff.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Krings, CDU/CSU-Fraktion?

Heidi Reichinnek (DIE LINKE): Sehr gern.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Das verlängert übrigens auch Ihre Redezeit.

Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Ich will nur einen historisch sachlichen Punkt richtigstellen, weil das jetzt mehrfach falsch genannt worden ist: Der Vorgängerparagraf dieses Werbeverbots, das heute deutlich eingeschränkt werden soll, ist nicht in der Nazizeit entstanden, sondern in der Weimarer Republik konzipiert worden, einer Vorgängerdemokratie, die sicherlich nicht perfekt war, aber wo demokratische Parteien auch um solche Themen gestritten haben. Er ist in der Tat erst 1933 ins Gesetzblatt gekommen,

(Jessica Tatti [DIE LINKE]: Eben! Aber darum geht es doch!)

aber konzipiert worden ist er in der Weimarer Zeit. Das ist ein historisches Faktum. Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen?

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)

Heidi Reichinnek (DIE LINKE): Sehr geehrter Kollege, ich nehme Ihren Redebeitrag gerne zur Kenntnis. Ich finde, meine Kollegin von der SPD hat schon sehr gut dargestellt, wie der historische Verlauf war.

(Nina Warken [CDU/CSU]: Hat sie nicht! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Hat sie nicht!)

In meiner letzten Rede, der Sie ja sehr interessiert gelauscht haben – ich erinnere mich an Ihre Zwischenrufe –, habe ich auch noch mal ganz genau dargestellt, in welchem Geist dieser Paragraf umgesetzt wurde; Sie können sich die gerne noch mal anhören.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das war schwach! Wirklich schwach! Ganz schwach!)

Aber gut, ich mache dann mal weiter. Wenn ich höre, liebe CDU/CSU – das sind Zitate von Ihnen –: „Man muss ja nicht jede Mode mitmachen“ und: „Abtreibungskliniken werden dann so wie Schönheitskliniken“ oder wie gerade eben wieder: „Dann gibt es die zielgruppenspezifische Werbung“, dann frage ich mich: Welches Frauenbild haben Sie eigentlich?

(Nina Warken [CDU/CSU]: Ein besseres! Wir trauen den Frauen mehr zu als Sie! Gucken Sie doch mal, wie es in Österreich ist!)

Denken Sie wirklich, dass irgendeine Frau sagt: „Mensch, das ist ja mal eine spannende Erfahrung, so eine Abtreibung. Das mache ich jetzt“ oder: „Mensch, was für eine schöne Broschüre! Dann mache ich eine Abtreibung“? Glauben Sie, dass Frauen so denken?

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Nina Warken [CDU/CSU]: Nein! Wir trauen Frauen mehr zu!)

Sie merken doch selbst, wie absurd das klingt. Die aktuelle Kompromissregelung der Großen Koalition ist ein Elend.

(Nina Warken [CDU/CSU]: Geht es doch um den § 218?)

Wenn die CDU/CSU dieses Elend jetzt mit ihrem Antrag auch noch festklopfen will, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann sage ich stellvertretend für die Mehrheit des Hauses und für die Gesamtgesellschaft: Nö.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Nee! Nicht der Gesamtgesellschaft!)

Die Streichung von § 219a – ja, das ist richtig – ist nur der erste Schritt, den wir gehen müssen. Schwangerschaftsabbrüche, die auf Wunsch der Schwangeren durchgeführt werden, müssen endlich entkriminalisiert werden. Auch das EU-Parlament und die Weltgesundheitsorganisation fordern exakt das. Deswegen muss auch § 218 endlich weg.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen eine Kommission, die nicht nur darüber diskutiert, ob § 218 fällt, sondern wie; und wir brauchen diese Kommission sofort. Doch aktuell steht nicht mal fest, wer darin wie arbeiten soll, von der Einrichtung ganz zu schweigen. Deswegen fordern wir in unserem Antrag auch, dass reproduktive Gerechtigkeit zum Regierungsziel erklärt wird, damit wir endlich vorankommen.

(Beifall der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Zum Thema „nachgelagerte Verhütung“, wie es gerade von der AfD benannt wurde – ich sage dazu wenig –: Stellen Sie sich mal vor, wir würden erwarten, dass jeder Mann, der keine Kinder will, eine Vasektomie durchführen lässt. Das wäre doch mal was, ne? Scheint aber auch ein bisschen absurd, absolut übergriffig. Aber man erwartet ja schließlich von Frauen auch, dass sie Hormone schlucken, die massive Nebenwirkungen haben. Man erwartet von Frauen, dass sie für die Pille danach eine demütigende Beratung über sich ergehen lassen. Und ehrlicherweise erwartet man von Frauen auch, dass sie noch die Kondome dabeihaben, um dann am Ende mit irgendeinem Typen darüber diskutieren zu müssen, dass sich das ja nicht so toll anfühlt.

(Thomas Seitz [AfD]: Was haben Sie heute geraucht?) – Ja, Sie sollten vielleicht auch mal was rauchen. Vielleicht sind Sie dann ein bisschen entspannter.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Frau von Storch?

Heidi Reichinnek (DIE LINKE): Ach, nee.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki: War das nun ein Nein oder ein Stoßseufzer?

Heidi Reichinnek (DIE LINKE): Verhütung ist doch schon die komplette Verantwortung der Frau, während es kaum Forschung zu Verhütungsmethoden für Männer gibt. Nach alldem kriminalisieren wir Frauen auch noch und machen ihnen den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen so schwer und teuer wie möglich? Frauen mit Geld, ja, die können zu einer weit entfernten Praxis fahren, sich ein Hotel leisten; sie fahren notfalls für eine Abtreibung über die Grenze. Aber stellen Sie sich mal vor: 200 Kilometer Anfahrt, Eingriff, Rückfahrt, am nächsten Tag wieder arbeiten, weil Urlaub einfach nicht drin ist; die Kinder müssen auch noch betreut werden. Dann ist der Eingriff auch noch teuer; vor der Praxis gibt es dann noch die Beschimpfungen und Bedrohungen. Das ist und bleibt Realität, wenn wir nicht endlich dafür sorgen, dass Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden,

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wenn wir nicht endlich dafür sorgen, dass sie flächendeckend und kostenfrei zur Verfügung stehen. Das ist auch eine soziale Frage. Worauf warten wir eigentlich noch? Wir als Linksfraktion haben die Streichung hier im Parlament bereits 2017 auf den Weg gebracht und stehen weiter Seite an Seite mit all jenen, die schon jahrzehntelang den Kampf für sichere und kostenlose Schwangerschaftsabbrüche führen, die beleidigt, bedroht und verurteilt wurden und werden. Ich möchte jeder einzelnen Person danken, –

Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte.

Heidi Reichinnek (DIE LINKE): – die uns hierhergebracht hat. Wir werden nicht aufhören, jetzt erst recht nicht. Es gibt noch viel zu tun.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu wenig, zu spät:
der Kindersofort-zuschlag

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung eines Sofortzuschlages für Kinder und einer Einmalzahlung an erwachsene Leistungsberechtigte der sozialen Mindestsicherungssysteme aus Anlass der COVID-19-Pandemie (Sofortzuschlags- und Einmalzahlungsgesetz)

 

12.05.2022

 

Transkript

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Butter kostet gerade 3 Euro – nur ein Beispiel für Lebensmittelpreise, die durch die Decke gehen.

In Deutschland wächst bereits jetzt jedes fünfte Kind in Armut auf. Für diese Familien ist die Inflation ein Grund zur Panik. Ein Kindersofortzuschlag, der auch was bringt, ist also zwingend notwendig. Sozialverbände sagen klar, dass Kindern bei der Berechnung der Sozialleistungen 78 Euro vorenthalten werden. Das war schon vor Corona so. Das auszugleichen, wäre doch das absolute Minimum, was ein Kindersofortzuschlag leisten muss. Hinzu kommen nun seit Monaten Mehrbedarfe und Preisexplosionen.

100 Euro fordern wir deswegen rückwirkend zum Januar. Das wäre ein erster Schritt im Kampf gegen Kinderarmut.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber wofür klatscht sich die Ampel jetzt auf die Schulter? Für 20 Euro. Ist das Ihr Ernst? Ich zitiere Minister Heil: „20 Euro, das klingt für viele Menschen, vor allen Dingen auch hier im Deutschen Bundestag, die viel mehr verdienen, ziemlich wenig.“ Es ist ziemlich wenig.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

 

Aber netter Versuch, die Kritik an der Höhe abzuwürgen!

Mal ehrlich: Wenn 20 Euro ab Juli wirklich Ihr großer Wurf zur Bekämpfung der Kinderarmut ist, dann wünsche ich Ihnen allen, dass Sie niemals arm werden und auf eine Regierung wie diese angewiesen sind.

(Beifall bei der LINKEN)

§219a: Weg mit dem Nazi-Paragraphen!

Erste Beratung des AfD-Antrags „§ 219a des Strafgesetzbuches erhalten und Schutzauftrag des ungeborenen Lebens im allgemeinen Bewusstsein beleben“

 

27.04.2022

 

Transkript

Heidi Reichinnek (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem heute zu diskutierenden § 219a handelt es sich um einen Paragrafen, der unter der Herrschaft der deutschen Faschisten eingeführt wurde. Fast 90 Jahre, viel zu lange, steht er schon im Strafgesetzbuch; doch jetzt gibt es endlich Bewegung im Parlament:

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Jörn König [AfD]: Da wurden auch die ersten Zuschussgesetze eingeführt!)

Die Abschaffung vom § 219a, für die sich meine Partei schon lange einsetzt, steht kurz bevor. Nächste Woche werden wir das diskutieren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und wer klammert sich natürlich verzweifelt an dieses überholte und traurige Überbleibsel aus der Zeit des deutschen Faschismus? Die AfD.

(Zuruf von der SPD: Na klar!)

Daher ein kurzer Rückblick in die Geschichte. Der § 218, der Abtreibungen grundsätzlich unter Strafe stellt, entstand 1871. Es gab aber seit Entstehung dieses Paragrafen immer wieder Kämpfe, um ihn zu reformieren oder ganz abzuschaffen, vor allem natürlich von linken Kräften – zumindest bis 1933 die NSDAP an die Macht kam. Sie verschärfte nicht nur das Abtreibungsverbot unter § 218, sondern schuf kurz nach ihrer Machtergreifung § 219a, ein „Werbeverbot“ für Abtreibungen – allein der Name ist irreführend und abscheulich.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Der verschärfte § 218 galt zudem unter der NSDAP nur noch für – ich zitiere – „rassisch reine“ Frauen. Bei – ebenfalls Zitat; ich möchte mich dieser Sprache nicht annehmen – „minderwertigen Volksgruppen“ war die Abtreibung straflos. Beides waren also Instrumente einer widerwärtigen, menschenverachtenden Politik, einer Politik, die darüber entscheiden will, welches Leben überhaupt einen Wert hat. Und die AfD, die sich jetzt hier als Lebensschützerin aufspielen will, führt genau diese Ideologie fort, und zwar nahtlos. Denn welches Leben schützenswert ist, dazu haben Sie ja ganz interessante Maßstäbe. Das zeigte sich auf besonders ekelhafte Weise vor vier Jahren, als Sie hier eine Anfrage zu Schwerbehinderten in Deutschland stellten, in der Sie versucht haben, einen Zusammenhang zwischen Inzucht, Behinderung und Migrationshintergrund zu finden.

(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt hören Sie mal zu! Mann! – Gegenruf des Abg. Enrico Komning [AfD]: Ich höre überhaupt nicht zu, Mann!)

Nicht weniger als 18 Sozialverbände haben Sie geschafft gegen sich aufzubringen, weil Sie in Ihrer Anfrage suggeriert haben, dass eine Behinderung ein zu vermeidendes Übel sei. Und das ist nur die Spitze des Eisberges. Auch das Leben von – nach Ihrer Definition – Nichtdeutschen finden Sie nicht ganz so schützenswert.

(Enrico Komning [AfD]: Erzählen Sie doch nicht so einen Unsinn!)

Sie und Ihre Parteifreundinnen und -freunde reden von „Gesindel“, wollen Leute „entsorgen“, wollen „das Pack erschießen“ lassen – alles Zitate von Ihnen – oder „zurückprügeln“, und Sie verurteilen niemanden, der ein bewohntes Asylbewerberheim anzünden möchte. – Ja, ich sehe schon: Sie fühlen sich da richtig angesprochen. Es widert mich an, wie Sie sich vor dem Hintergrund dieser Aussagen wirklich die Dreistigkeit herausnehmen, sich als Schützerin von Leben aufzuspielen. Was bilden Sie sich ein?

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Sie reden von Tötung; Sie reden davon, dass Babys zerstückelt werden. Sie rufen uns „Babymörderfraktion“ zu. Wie ekelhaft können Sie sein, Frauen in so einer Notlage noch weiter zu quälen?

(Enrico Komning [AfD]: Sie wollen Reiche erschießen! – Beatrix von Storch [AfD]: Das ist ekelhaft!)

Was wir brauchen, sind frei zugängliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche, Beratungen und flächendeckenden und kostenfreien Zugang zu einer medizinischen Leistung, die verdammt noch mal ein Grundrecht sein sollte!

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Darüber müssen wir diskutieren; und das werden wir nächste Woche tun. Aber Sie wollen hier nur Ihren Frauenhass und Ihre Allmachtsfantasien ausleben. Dass § 219a abgeschafft wird, ist längst überfällig.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Nicht schlimm, dass man Sie nicht versteht! Das ist nicht schlimm!)

Und ja, wir müssen dafür sorgen, dass Schwangerschaftsabbrüche, die auf den Wunsch der Frau hin geschehen, endlich aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden. Das ist der nächste Schritt nach vorne, in eine Zukunft, in der es endlich reproduktive Gerechtigkeit gibt.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Hoffentlich ist die Redezeit bald um!)

Und das ist hoffentlich eine Zukunft ohne die AfD.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Der Kindersofortzuschlag ist RESPEKTLOS!

Erste Beratung zum Einzelplan 17 (Frauen, Familie Senioren und Jugend)

 

25.03.2022

 

Transkript

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Jeder mag hier um hohes Niveau ringen; da sind wir sehr dafür. – Die Chance dafür bekommt als Nächste Heidi Reichinnek für Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die macht das auch!)

Heidi Reichinnek (DIE LINKE):

Kein Problem! Das ist doch ein guter Start. –

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Ministerin!

Ich habe in den letzten sechs Jahren mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Und deswegen bin ich schockiert, dass der vorliegende Haushalt als einzige Neuerung einen mangelhaften Kindersofortzuschlag bietet, für den sich die Kolleginnen und Kollegen der Ampel aber umso kräftiger auf die Schulter klopfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Den Kindersofortzuschlag bekommen 2,9 Millionen Kinder im Leistungsbezug – prinzipiell eine gute Sache. Aber weder kommt der Zuschlag sofort – er kommt nämlich erst im Juli –, noch wird er dem im Gesetzentwurf genannten Ziel gerecht, dazu beizutragen – ich zitiere –, „die Lebensumstände und Chancen der Kinder zu verbessern“. Wie auch, bei einer Höhe von 20 Euro? Das gleicht doch nicht mal die aktuellen Preissteigerungen und coronabedingten Mehrbedarfe aus, von der grundlegenden Problematik der Kinderarmut ganz zu schweigen. 20 Euro – wie kommt man auf diesen Betrag? Zuerst hörte man aus dem grünen Familienministerium von lächerlichen 25 Euro. Da dachte man sich: Schlimmer kann es ja nicht mehr werden. Aber dann kam das SPD-geführte Arbeitsministerium und konterte mit erbärmlichen 10 Euro. Das haben Sie vielleicht vergessen; aber ich lasse Sie es nicht vergessen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ist das der Respekt, den Sie auf die Wahlplakate gekleistert haben? Jetzt sind wir bei 20 Euro.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sozialverbände hatten für einen wirksamen Sofortzuschlag eine Zahlung von mindestens 78 Euro gefordert. Wurde das überhaupt diskutiert? Wurden die Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen und Familien berücksichtigt oder in vorauseilendem Gehorsam nur die der FDP? Zwar werden mal eben über Nacht 100 Milliarden Euro für Aufrüstung aus dem Boden gestampft; für den Kindersofortzuschlag gibt es aber nur rund 380 Millionen, nicht mal 0,4 Prozent des Sondervermögens, das es für Rheinmetall gibt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Sofortzuschlag ist respektlos!

(Beifall bei der LINKEN – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Billig!)

Mehr noch: Ich ahne, was das für die Höhe einer zukünftigen Kindergrundsicherung bedeutet. Bürokratieabbau, das traue ich der FDP-Regierung durchaus zu.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Der Sozialhaushalt ist dreimal so hoch wie der Verteidigungshaushalt!)

Aber um Kinder aus der Armut zu holen, braucht es schlicht und ergreifend mehr Geld: für gesundes Essen, für warme Kleidung, für Teilhabe.

(Beifall bei der LINKEN)

Und wo wäre das Geld besser angelegt als bei unseren Kindern? Frau Ministerin, ich freue mich, dass Sie wieder gesund sind. Ich weiß: Auch Sie wollen einen höheren Kindersofortzuschlag, auch Sie wollen eine Kindergrundsicherung, die diesen Namen verdient hat. Also setzen Sie sich in der Regierung dafür ein! Sie haben uns an Ihrer Seite.

(Beifall bei der LINKEN)

100 Jahre Frauenkampftag – und noch so viel zu tun

Vereinbarte Debatte zum internationalen Frauentag

 

17.02.2022

 

Transkript

Heidi Reichinnek (DIE LINKE): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich erinnere mich sehr gerne an die Wurzeln des Internationalen Frauentages. Er entstand nämlich auf Initiative sozialistischer Feministinnen – ich finde, das kann man hier durchaus erwähnen –,

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

und zwar schon vor dem Ersten Weltkrieg, mit dem Ziel, für Gleichberechtigung und Gleichstellung der Frauen zu kämpfen. Über 100 Jahre also – mit Unterbrechung in der Zeit des Faschismus – begehen wir in Deutschland in Ost und West den Frauentag.

Ich finde, das ist eine gute Gelegenheit, zu schauen, was wir erreicht haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Fakt ist, dass nur 35 Prozent der Mitglieder dieses Hauses Frauen sind.
Fakt ist, dass 40 Prozent aller Mädchen und Frauen in Deutschland über 16 Jahre körperliche oder sexualisierte Gewalt erlebt haben.
Fakt ist, dass Frauen immer noch durchschnittlich 18 Prozent weniger als Männer verdienen, Frauen mit Migrationshintergrund sogar noch mal 20 Prozent weniger als herkunftsdeutsche Frauen.

Ja, es gibt 18 Prozent Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen. Ich weiß, die Ersten hier verspüren den Drang, zu rufen: Ja, das ist aber nur so, weil sie unterschiedliche Jobs machen. Wenn das der gleiche ist, ist das ganz anders. Und Frauen entscheiden sich nun mal für schlechter bezahlte Jobs. – Wirklich? Ist das eine angemessene Reaktion? Wir können uns doch nicht damit zufrieden geben, dass Frauenberufe eben schlechter bezahlt sind und direkt in die Altersarmut führen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Frau Ministerin Spiegel, Sie sagen, Sie nehmen den Kampf auf. Aber ich frage mich: Wie denn? Es wird zwar an Feiertagen darüber geredet, aber seit Jahrzehnten ändert sich an der Situation kaum etwas. Die strukturelle Ungleichheit zwischen Männern und Frauen bleibt. Warum ist das eigentlich so?

Sorge-, Pflege-, Haus- und Erziehungsarbeit wird in Berufen geleistet, ohne die eine Gesellschaft niemals funktionieren kann und in denen traditionell Frauen überrepräsentiert sind, weil es angeblich typische Frauenberufe sind. Kümmern ist eben eine weibliche Aufgabe, sagen vor allem viele Männer gern. Am liebsten würde man dieses Kümmern, diese Fürsorge zur reinen Privatangelegenheit – also von Frauen natürlich – erklären, statt sie als gesellschaftliche Aufgabe anzuerkennen. Und dieses Kümmern ist dann auch angeblich keine Leistung, sondern liegt den Frauen halt im Blut; entsprechend sieht es bei der Vergütung von Berufen in diesen Bereichen aus. Der neuen Bundesregierung ist das genauso bekannt wie der alten. Vielleicht tun Sie auch mal etwas dagegen. Ich fände das super. Wenn ich mir den Koalitionsvertrag ansehe, ist meine Hoffnung allerdings gering. Umso wichtiger ist, dass Verdi in den nächsten Tagen in die Tarifkämpfe im Bereich Sozial- und Erziehungsdienst einsteigen wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich war viele Jahre in der Jugendhilfe tätig. Soweit ich weiß, gilt das für recht wenige hier im Haus; hier sind wenige aus dem sozialen Bereich vertreten. Daher möchte ich die einmalige Chance nutzen, meinen Kolleginnen für die Tarifverhandlungen viel Kraft und Erfolg zu wünschen und ihnen an dieser Stelle für ihre Leistung zu danken.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Erik von Malottki [SPD])

Ob im Kindergarten, im Jugendtreff, in der Schulsozialarbeit – überall, wo ihr euch kümmert, leistet ihr Unglaubliches, liebe Kolleginnen, und dieses Kümmern ist keine einfache Arbeit: wenn ihr vor Erschöpfung kaum noch aufrecht stehen könnt, weil in der Kita Personalmangel herrscht, eure Überstunden sich stapeln, ihr aber eine gute Betreuung für alle Kinder wollt, wenn ihr in den frühesten Morgenstunden und bis tief in die Nacht für die Menschen da seid, weil ihr unbedingt noch der Schülerin helfen wollt, die Angst hat, am nächsten Tag in die Schule zu gehen, und wenn ihr keinen Schlaf findet, weil ihr den Gedanken nicht verdrängen könnt, dass eine der Familien, die ihr betreut, vielleicht aus der Wohnung geworfen wird. Und das sind keine fiktiven Beispiele. Liebe Kolleginnen, ihr verdient mehr Geld und Anerkennung sowie bessere Arbeitsbedingungen. Es braucht endlich politische Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel.

(Beifall bei der LINKEN)

Euer Kampf ist auch ein feministischer Kampf, ein Kampf um die Anerkennung und Wertschätzung von Sorge, Pflege und Erziehungsarbeit. Das sind die zentralen Kampffelder, nicht irgendwelche Genderdebatten, die Sie hier immer wieder aufziehen wollen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Ihr kämpft nicht nur für euch, liebe Kolleginnen, sondern stellvertretend für eine solidarische, gerechte und gleiche Gesellschaft. Ja, wir führen diese feministischen Kämpfe seit Jahrzehnten. Ich bin es auch leid und hätte hier lieber eine Festrede gehalten, aber dafür gibt es noch viel zu viel zu tun. Trotzdem schließe ich gern mit etwas Positivem: Dass die Bedeutung des 8. März und der damit verbundenen Kämpfe im rot-rot-grün regierten Berlin durch die Einführung eines Feiertages gestärkt wurde, ist ein wichtiges Zeichen, und auch, dass das rot-rot regierte Mecklenburg-Vorpommern das Gleiche plant.

Links wirkt! Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Bekämpfung sozialer Ungleichheit: Fehlanzeige!

Verbundene Debatte zur Politik der Bundesregierung: Familie, Senioren, Frauen und Jugend 

 

13.01.2022

 

Transkript

Heidi Reichinnek (DIE LINKE): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleg*innen! Beim Lesen des Koalitionsvertrags habe ich mich kurz gefragt, ob mir vielleicht ein paar Kapitel fehlen. Denn da stehen zwar viele schöne Worte; es wurden auch einige vorgetragen. Aber die Vorhaben der Ampelkoalition leisten nicht wirklich einen Beitrag dazu, die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland endlich zu schließen.

Vermögensteuer: Fehlanzeige!

Bürger*innenversicherung: Fehlanzeige!

Abschaffung von Hartz IV – Sie ahnen es -: Fehlanzeige!

Und nein, ein neuer Name hilft uns nicht wirklich weiter.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach vielen Jahren Arbeit in verschiedenen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe kann ich Ihnen nur sagen: Auch hier liegt einiges im Argen, und die Folgen der Pandemie sind gravierend. Zwar diskutieren alle darüber, wie der verlorene Schulstoff aufgeholt werden kann; aber kaum jemand redet darüber, was es mit Kindern und Jugendlichen macht, wenn sie zwei Jahre lang fast keine sozialen Kontakte haben, und hier sind Kinder armer Familien massiv benachteiligt. Im eigenen Garten mit Computer ist so eine Quarantäne ehrlicherweise einfacher zu ertragen als mit zwei Geschwistern auf einigen wenigen Quadratmetern.

(Beifall bei der LINKEN)

Bereits nach dem ersten Lockdown stiegen Depressionen bei Jugendlichen auf das Zweieinhalbfache des Vor-Corona-Niveaus. Auch hier kann ich aus meiner Praxis in der Jugendhilfe berichten – ich war da noch vor wenigen Monaten -: Die Kinder und Jugendlichen gehen gerade kaputt.

Aber statt nur zu pöbeln und die Kinder zu instrumentalisieren, sage ich: Wir brauchen deshalb eine nachhaltige Stärkung von Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe. Statt hier und da Projektförderungen, bei denen niemand ohne Promotion versteht, wie man die Anträge dafür überhaupt ausfüllen muss, brauchen wir Investitionen in nachhaltige Strukturen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es bringt nichts, wenn sich Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter ein Prestigeprojekt nach dem nächsten ausdenken müssen, damit Politikerinnen und Politiker damit in der Presse glänzen. Denn Sozialarbeit ist kein Wettbewerb; sie ist eine zentrale öffentliche Aufgabe, und das müssen wir endlich anerkennen.

(Beifall bei der LINKEN)

Doch ich möchte noch einen Schritt weitergehen: Wie viele Kinder kommen hungrig in die Schule? Wie viele Kinder können nicht mit zum Schulausflug? Wie viele Kinder können sich vielleicht gerade noch den Beitrag für den Fußballverein leisten, aber nicht mehr die Schuhe dafür? 

Ja, es geht um Kinderarmut: Jedes fünfte Kind lebt in Armut. Sie sagen: „Die Kindergrundsicherung soll kommen“, bleiben dabei aber völlig unkonkret, um welchen Betrag es sich denn handeln soll. Deswegen empfehle ich Ihnen unseren Antrag aus dem März 2020. Wir werden konkret: altersabhängig bis zu 630 Euro Grundbetrag plus Erstattung von Kosten für Wohnung und Sonderbedarfe. So einfach kann es sein, so gut, so gerecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Doch noch unwichtiger als Kinderarmut scheint für Sie Altersarmut zu sein; denn das Wort wird im gesamten Koalitionsvertrag nicht einmal erwähnt. Dabei lebt ein Fünftel aller Senior*innen in Armut.

Interessant auch, wie uninteressant das Thema Alleinerziehende für Sie zu sein scheint. Die werden fünfmal erwähnt, aber ohne erkennbare Strategie, um deren Situation wirklich zu verbessern. Auch hier erinnere ich Sie ungern: 43 Prozent aller Alleinerziehenden leben in Armut. Die Pandemie hat sie ganz besonders belastet. Wenn Minister Heil jetzt mit großem Tamtam als erste Maßnahme 40 Prozent Zuschuss für Haushaltshilfen ankündigt, dann ist das doch absurd. Denn wer kann sich denn eine Haushaltshilfe leisten, und welche Art von Jobs wird damit finanziert? Das sind rhetorische Fragen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber mal im Ernst: Damit wollen Sie Ihr Jahrzehnt der Gleichstellung einläuten?

Frau Ministerin Spiegel, Sie sagen von sich, Sie seien Feministin, und das freut mich außerordentlich. Ich verbinde damit die Hoffnung, dass die angekündigten Vorhaben der Ampel, um die Situation von Frauen zu verbessern, zügig auf den Weg gebracht werden, und ich hoffe, Sie schaffen es auch, sich gegen die Handschrift der FDP durchzusetzen.

Dass die Istanbul-Konvention beispielsweise endlich wirksam umgesetzt werden soll, ist dabei weniger ein großer Wurf der neuen als eher ein Versagen der alten Regierung. „Wirksam umgesetzt“ heißt übrigens, dass wir unter anderem 14 000 Plätze mehr in Frauenhäusern brauchen und dafür entsprechende Investitionen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Was da mit Ihnen, liebe Kolleg*innen von der FDP, möglich ist, das ist die große Frage.

Was wir gut finden, ist, dass Sie zwei Wochen bezahlten Urlaub für Väter nach der Geburt einführen wollen. Das soll bitte unabhängig vom Geschlecht für das zweite Elternteil gelten und auch für Alleinerziehende.

(Beifall bei der LINKEN)

Das übrigens ist eine linke Idee; wir haben sie letztes Jahr hier eingebracht. Damals hat die SPD leider noch dagegengestimmt. Schön, dass Sie es sich jetzt anders überlegt haben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir sehen mal wieder: Links wirkt!

Bei Ihren guten Projekten sind wir an Ihrer Seite, und ansonsten rücken wir die soziale Frage als einzig soziale Opposition im Haus natürlich in den Mittelpunkt. 

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)